S4E1 Die Geschichte(n) Zürichs
Shownotes
Die Geschichte Zürichs ist – natürlich – geprägt vom Mut und von der Stärke von Frauen. Honoriert wird das allerdings selten. Das sollte sich ändern: In der ersten Folge der vierten Staffel „Überm Berg“ sprechen wir unter anderem über Frauen, die ihre Stadt vor einem Angriff lautstark verteidigt haben, über mächtige Äbtissinnen, über die ersten Studentinnen im deutschsprachigen Raum, über kluge Wissenschaftlerinnen. Und all das, was sonst noch so passiert ist – in der knapp zweitausendjährigen Geschichte der Schweizer Metropole.
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Dieser Podcast ist eine Produktion des Studio ZX, einem Unternehmen der ZEIT Verlagsgruppe in Zusammenarbeit mit Zürich Tourismus.
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00:00:06: Wir stehen in einer gewaltigen, geschmückten Kirche. Um uns herum strömen Menschen durch die großen Türen hinein und hinaus in die morgendliche Sonne von Zürich. Zu hören sind nur die hallenden Schritte der Besucherinnen und das Flüstern in diversen Sprachen beim Bestaunen der alten Wände, des Altars oder den Reliefs an den steinernen Pfeilern der Kirche. Eines dieser Reliefs zeigt eine besondere Szene.
00:00:37: Sie erzählt, warum diese Kirche und die Stadt, in der sie steht, überhaupt existieren. Zu sehen ist ein ziemlich bekannter Mann mit Krone. Er sitzt auf seinem Pferd, das niederkniet vor zwei weiteren Menschen mit Heiligenschein und Palmwedel. Vor etwa 1200 Jahren soll Karl der Große sich auf einer spektakulären Jagd Bärenjagd durch Europa gefunden haben. 500 Kilometer von Aachen oder Köln bis in den Norden der heutigen Schweiz soll er Tag und Nacht geritten sein, auf der Fährte von einem gewaltigen Hirsch.
00:01:12: Und hier, an dem Ort, an dem wir jetzt stehen, soll der Hirsch dann plötzlich stehen geblieben und in die Knie gegangen sein. Karls Pferd und seine Jagdhunde gleich mit. Sie knien nieder vor den Gebeinen der Menschen, die ebenfalls auf dem Relief zu sehen sind und die an dieser Stelle in der Erde unter Karl liegen sollen. Felix und Regula, die Stadt heiligen von Zürich. Karl lässt die Gebeine heben und an ihrer Fundstelle eine Kirche bauen den Grossmünster von Zürich, so die Legende zur Geburtsstunde der Stadt.
00:01:45: Was man dazu wissen sollte?
00:01:48: Karl der Große hat Zürich nie besucht.
00:01:53: Ja, mittlerweile kann er belegen, dass er nie in Zürich war gerade los.
00:02:01: Dass man sich diese Legende dennoch lange erzählte, hat einen besonderen Grund. Und der hat mit Männern zu tun und ihre Angst vor Frauen, die für ihre Zeit ungewöhnlich viel Einfluss hatten. Aber dazu später mehr. In dieser ersten Folge der neuen Staffel von Übern Berg, in der wir in die Geschichte der Stadt Zürich eintauchen, zusammen mit Tourguide und Zürichexpertin Elisabeth, die ihr gerade schon gehört hat. Sie und wir erzählen in dieser Folge Anekdoten und Geschichten, die uns und euch überraschen dürften.
00:02:35: So wie die Erfindung der Gründungslegende oder einem Bier launigen Studenten namens Röntgen, einer Frau, die den Nobelpreis verdient hätte, aber nie bekam. Wir sind zurück in Zürich. Und wir? Das bin ich. Jonas und ich. Anna.
00:03:27: Und bei unserer Rückkehr in die Stadt an Fluss und See wollen wir uns überraschen lassen. Überraschen nämlich von den Seiten der Stadt, die man nicht auf den ersten Blick erkennt, und den Anekdoten, die sich in Zürich verstecken. Und genau diese Geschichten kennt Elisabeth Jonas.
00:03:46: Sie ist seit 18 Jahren als Tourguide in Zürich unterwegs. Die Altstadt kennt sie wohl so gut wie kaum jemand anderes. Und auch die Anekdoten aus Zürich, die wir suchen. Dann geht's los. Super. Sie führt uns durch die Straßen und Gassen der Stadt, durch Geschichten aus der Geschichte. Und da beginnen wir ganz am Anfang.
00:04:12: Die Zürcher Altstadt befindet sich im sogenannten Kreis eins. Bis 1893 gehörte nur dieser Teil offiziell zur Stadt Zürich. Der heutige Kreis eins besteht aus vier Quartieren rechts und links des Flusses Limmat. Ja, das da, das geht auf das Mittelalter zurück. Nur die Fenster sind natürlich nie so gewesen, weil Glas war ja zu teuer und entsprechend hat man auch keine Fenster gehabt. Das kleinste Quartier der Altstadt heißt Lindenhof und seinen Namen hat es wegen eines gleichnamigen Platzes, auf dem unsere Tour mit Elisabeth beginnt.
00:04:50: Und nicht nur die. Auch die Geschichte der Stadt Zürich findet hier ihren Anfang. Zürich ist auf beiden Seiten der Limmat seit mindestens 2000 Jahren. Die Römer hatten da unten schon eine Brücke. Und deshalb also Zürich existiert auf beiden Seiten der Limmat. Betritt man den Lindenhof von der Pfalzgasse aus, findet man auf der linken Seite einen alten Grabstein. Das ist das. Einzige Schriftstück, was wir haben, welches uns eben erzählt, dass Zürich gedacht wurde. Hast du die Kenntnis? Und das geht dann weiter so?
00:05:25: Also in diesem Züricher Ort ist dieser Junge gestorben. Dieser Grabstein wurde im 18. Jahrhundert gefunden. Hier liegt Lucius Heliosobikus, der ein Jahr fünf Monate und fünf Tage lebt. Das steht darauf geschrieben. Der Sohn eines römischen Zöllners wird etwa 200 nach Christus hier begraben. Und auf seinem Grabstein findet sich außerdem der Name Turicum. So nannten die Römer das Kastell, also die befestigte Anlage, die am Ufer der Limmat stand, vermutlich eine Zollstation, die den Schiffsverkehr auf der Limmat kontrollierte.
00:06:03: Es war dann nur eine Zollstation. Maximal 300 Einwohner, heißt es. Wobei man weiß ja nicht, ob sie nur die Männer gezählt haben. Zu römischer Zeit war dann für den Fall, dass das maximal 1000 waren, Frauen und Kinder. Noch dazu wären. Der Lindenhof. Auf dem die römische Anlage stand, ist etwa 20 Meter über der Limmat. Besiedelt wurde das Gebiet wohl schon tausende Jahre vor den Römern. Doch mit Turicum beginnt die eigentliche Geschichte der Stadt Zürich.
00:06:35: Das römische Kastell auf dem Lindenhof bleibt bis ins frühe Mittelalter bestehen. Es ist das Zentrum, um das sich die Besiedlung Zürichs ausweitet. Und im neunte Jahrhundert. Ihr erinnert euch an den Anfang begegnet uns Karl der Große das erste Mal. Na ja. Zumindest indirekt.
00:06:56: Sein Enkel, König Ludwig der Deutsche, baute auf dem Lindenhof eine Pfalz, also eine königliche Burg. Die wurde dann zur zeitweisen Residenz der deutschen Kaiser. Und die Mauern, die den Rand des Lindenhof säumen, zeigen heute, wo diese Befestigung stand. Im neunte Jahrhundert wurde die kaiserliche Pfalz dort gebaut, also die zeitweilige Residenz des deutschen Kaisers. Und hier in diesem Gebäude wurde 1055 oder 56 Heinrich der Vierte verlobt.
00:07:29: Das war der Heinrich, der dort den Gang nach Canossa antreten wollte und musste. Zürich wird eine unabhängige Stadt. Das bleibt auch die nächsten 600 Jahre so! Und um das zu untermauern, greifen die Bewohnerinnen zu einer besonderen Maßnahmen Sie legen Hand an. An die kaiserlichen Unterkünfte der Pfalz. Seit 800 Jahren ist ihm verboten, da oben zu bauen. Und deshalb haben wir nur ein paar Steine und eine Eiche. Aus Angst, ein externer Monarch könnte sich auf dem Lindenhof etwas zu wohl fühlen, zerstörte man die Reste der kaiserlichen Herrschaft auf dem Lindenhof komplett.
00:08:08: Und um sicher zu gehen, dass hier nur die Zürcher herrschen, pflanzte man Linden auf dem Platz. Sehr zum Leidwesen aller kommenden Historikerinnen übrigens. Denn auch das Graben ist hier verboten, solange die Linden stehen. Und während sich die Touristen und Spaziergänger innen um uns herum am guten Wetter und den Bäumen erfreuen, sehen die Archäologinnen das etwas anders. Da ist was dran. Die Archäologen warten auf den nächsten Sturm. Sobald eine solche Linde fällt, haben sie das Recht, dort zu graben.
00:08:43: Ah ja. Okay. Also, da, wo diese dünnen Linden sind, haben sie ja
00:08:49: auch.
00:08:52: Kommt da nicht mal lang irgendwann jemand? Ich.
00:08:57: Glaube, ich könnte da, glaube ich, nicht drauf warten, dass ein Sturm kommt. Und
00:09:03: Bäume, Schachfelder, Bänke und die alte Mauer. Gebaut werden darf hier nicht. Doch in der Vergangenheit wurden zwei Ausnahmen gemacht. Zum einen haben vor circa 200 Jahren die Freimaurer hier eine Loge errichtet. Wie das möglich war, das kann keiner so richtig sagen, erzählt Elisabeth Weil. Weil es ist ja eigentlich illegal. Seit 800 Jahren ist es verboten, da oben zu bauen. Neben dem Gebäude der Freimaurerloge befindet sich auf der Mitte des Lindenhofs ein Brunnen.
00:09:38: Über dem Brunnen steht eine Statue von Gustav Silber. Und die erinnert an eine weitere besondere Geschichte der Stadt Zürich.
00:09:57: 1292 stand ein Heer des österreichischen Herzog Albrecht vor der Stadt Zürich. Er wollte sie unter seine Herrschaft zwingen. Kurz zuvor waren viele Zürcher Soldaten bei einem Kampf um Winterthur gefallen. Albrecht dachte sich also die Stadt Zürich reißt er sich jetzt problemlos unter den Nagel. Aber er hatte die Rechnung ohne die Frauen und Mädchen der vermeintlich wehrlosen Stadt Zürich gemacht. Die versammelten sich auf dem Münsterhof, schlüpften in Rüstungen, Helme und marschierten mit Schild und Speer in Reih und Glied, mit Trommeln und Trompeten über die Brücken der Stadt, die Strehgasse hinauf und auf den Linden.
00:10:39: Die Frauen und Mädchen stellten sich auf die Brüstung der Mauern des Lindenhofs und schwangen laut schreiend ihre Waffen in Richtung Herzog Albrecht. Überrascht, dass es wohl doch noch kampfeslustige Soldaten in Zürich gab, änderte der seine Pläne. Er schloss mit den Zürchern Frieden und zog wieder ab. Und die Anführerin dieser mutigen Zürcherinnen schaut heute vom Brunnen auf dem Lindenhof herab. Hedwig ab Burg halten mit Kettenhemd und Speer.
00:11:10: Und könnte sie sich umdrehen als Statue wohlweislich schwierig, könnte sie eine ziemlich spektakuläre Aussicht genießen. Auf die Limmat und die Gebäude der Zürcher Altstadt.
00:11:24: Rechts auf das Wahrzeichen der Stadt, den Grossmünster, geradeaus auf den Limmatquai und ganz links auf die Gebäude der Uni Zürich und der ETH. Kurz für die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. Etwa 1000 Meter trennen. Die als Statue verewigte Hedwig und die Eingänge dieser zwei Unigebäude. Aber es gibt etwas, das sie verbindet ihre Geschichte, denn es ist die von ziemlich mutigen Frauen, auch an der Uni Zürich und der ETH.
00:11:55: Und die Geschichten dieser Frauen sorgen im 19. Jahrhundert europaweit für Aufsehen. Diese Hochschule wurde gebaut Mitte des 19. Jahrhunderts, um die Ingenieure auszubilden, die sehr gefragt wurden für den Eisenbahnbau. Und das Gebäude wurde von Gottes Semper Gebhard, also der erste Professor für Architektur, hier am neu gegründeten Polytechnique. Und damals? Seit ihrer Entstehung hat die Uni ziemlich große Namen auf ihren studierenden Listen gehabt. Einer von ihnen war Albert Einstein. Er und 20 weitere Nobelpreisträger haben das Gebäude der Uni als Studierende besucht.
00:12:32: Der hat hier studiert und der Einstein hat sein ganzes Studium hier gemacht. Und wohlgemerkt Nobelpreisträger. Eine Frau sucht man vergeblich. Dabei, erzählt Elisabeth, zeigt gerade der Zürich Absolvent Einstein, dass man das als ziemliche Verfehlung bezeichnen könnte. Er konnte das ja nicht alleine auf die Beine stellen. Es war seine Frau und seine Frau, die sich als erste Frau. Ausgeschieden sind, hat sie gesagt Wenn du den Nobelpreis kriegst, ich kriege das Geld und du die Ehre.
00:13:07: Weil sie war eigentlich die, die ihn da so angetrieben hat. Weil sie war mindestens so intelligent wie er. Und er musste natürlich als Mann beweisen, dass er noch besser ist, oder? Niemand spricht von ihr, außer die Serben, weil sie war ja von Serbien. Bis heute wird diskutiert, wie hoch der Anteil von Mileva Maria Albert, Einsteins Ehefrau, an seinen wissenschaftlichen Arbeiten und Erfolgen war. Ihr Leben und besonderes Wirken für die Geschichte der Uni Zürich und der ETH ist aber so oder so beachtlich. 1895 und 96 schrieb sie sich für ein Studium der Medizin ein und wechselte kurz darauf an die ETH.
00:13:45: Damals noch Polytechnicum genannt, um Mathe und Physik zu studieren. Als Frau in dieser Zeit zu studieren, war aber keinesfalls selbstverständlich. Es ging nur aus zwei Gründen. Sie hat ja ein Gebrechen. Sie hat gewunken wie die Rosa Luxemburg. Rosa Luxemburg hat ja auch gewunken. Irgend etwas war da im Bewegungsapparat nicht ganz perfekt. Und damals hat man die jungen Frauen, die eben auf dem Heiratsmarkt nicht viel wert waren. Hat man halt nach Zürich gelassen. Wenn Sie schon intelligent waren und hat sie in Zürich studieren lassen, weil in Zürich war der Test Universität und Frau Doktor ihre Kunden.
00:14:19: Zum einen war sie also in den Augen der Gesellschaft auf dem Heiratsmarkt nicht viel wert. Und zum anderen war es überhaupt nur in Zürich möglich, für Sie als Frau zu studieren. Seit den 1850 er nämlich. Wer aber glaubt, das sei schlicht die Folge von logischen Entscheidungen und dem modernen, denkenden Universitäten gewesen, der irrt natürlich gewaltig. Ja, das war Zufall, dass das in Zürich so passiert ist. Es war der Zar in Russland, der da die Sankt Petersburg Universität geöffnet hat, die medizinische Fakultät der Frauen in den 1850 Jahren.
00:14:52: Dann haben die da studiert und dann gab es Unruhen an der Uni. Die Uni wurde geschlossen für ein Jahr. Und als sie wieder geöffnet wurde, hat man die Frauen nicht mehr zugelassen und gesagt Wegen euch ist das Ganze gewesen. Und die Frauen haben jetzt quasi vor dem Staatsexamen und die wollte das ablegen. Sie haben alle europäischen Universitäten bestürmt, sie möchten kommen, für die Prüfungen abzulegen. Und niemand wollte sie haben. Die Zürcher Universität war nur etwa 30 Jahre alt. Also kein Ruf zu verlieren. Und das ist ein Grund. Haben Sie gedacht, die sollen kommen? Wir brauchen Studenten, die bezahlen.
00:15:26: Und die haben gedacht, die machen die Examen, und
00:15:29: nachher geht es weiter wie vorher. Sie haben gedacht, dass etwa 30 plus zu Ihnen kommen und machen das Examen. Und dann sind wir das Ganze wieder los. Aber es hat in die Kasse Geld gespült. Und was hat die Ärzte gemacht, die der Doktor jetzt hat sofort einen Zürcher Arzt geheiratet, der aber verlobt war mit einer Aargauer. Und die Aargauer, die sitzen gelassen, hat gesagt, was die andere kann, das kann ich auch. Und sie ist sofort. An. Die medizinische Fakultät gegangen. Das ist in allen europäischen Zeitungen breit geschlagen worden. Dass das auch in Zürich passiert, dass sie die Frauen zum Studium auf ganz.
00:16:00: Europa spottete über Zürich. Professoren aus Deutschland schrieben Pamphlete der Empörung, und die Menschen in der Schweiz wollten sich nicht von den studierten Medizinerinnen operieren lassen. Doch los wurde man die Studentinnen nicht. Die für ihre Zeit ungewöhnliche Entscheidung spülte ordentlich Geld in die Kassen der Universitäten, die gerade erst gegründet wurden. Ein Argument, das zog. Und der. Ja von ganz Europa sieht Junge Frauen, die unbedingt studieren wollten. Nach Zürich gekommen.
00:16:30: Und weil die natürlich Arbeit gelernt haben. Und die Studenten sind rumgesoffen. Die haben natürlich dann die Examen viel, viel besser abgeschlossen als die Männer. Weil die konnten ja nicht in die Bars gehen, diese Frauen. Und die haben da gelernt. Die wollten so schnell wie möglich durch dieses Examen. Und die müssen zu Hause auch beweisen, dass es eine sinnvolle Entscheidung war, sie nach Zürich gehen zu lassen. Und so mussten sie die Examen schwieriger machen und schlussendlich die Uni. Das Niveau der Uni hat sich gehoben, dank dieser Frauen.
00:17:02: Und das hat natürlich dann diese Männer bzw diese Männer dazu bewogen, auch andere Fakultäten den Frauen zugänglich zu machen. Wir lassen den Blick noch etwas schweifen und machen uns dann auf, mit Elisabeth die Altstadt nicht nur von oben zu betrachten, sondern weiter einzutauchen in die Geschichten der Stadt. Es geht also von den Anfängen des römischen Kastells in die mittelalterlichen Gassen Zürichs. Und dabei kommen wir auch an Spuren von Ausgrabungen vorbei.
00:17:35: Also, wenn man in der Stadt Zürich anfängt zu graben, so muss man immer auf Überraschungen vorbereitet sein. Das ist auch hier passiert, in Österreich nicht.
00:17:48: Da hatte der Besitzer des Hauses da unten im Keller sieben Platz. Dann sind Sie auf das römische Pferd gestoßen.
00:18:06: Hat der Besitzer sich gefreut vor dem Haus oder hat er sich geärgert?
00:18:10: Da gewesen? Denn alles unterirdisch mussten die Häuser dann kraxeln.
00:18:21: Wir gehen die Gassen vom Lindenhof links der Limmat in Richtung Süden. Und ein Turm ist eigentlich von überall sichtbar. Und da hast du gleich auch noch das grösste Kirchturm Zifferblatt Europas ablesen tun. Dort stand übrigens zu römischer Zeit der Jupitertempel. Dort, im neunte Jahrhundert, ist eine Kirche gebaut worden, und es ist der größte Kirchturm, Zifferblatt Europas. Die Rede ist vom Turm der Sankt Peter Kirche. Die Kirche mit dem größten Ziffernblatt Europas.
00:18:54: Doch unser Ziel liegt hinter der Sankt Peter Kirche. Wir sind auf dem Weg zum Fraumünster. Ich. Dort sind wir jetzt. Das
00:19:05: Fenster. Diese drei. Und der ist. Ganz seinem Namen entsprechend auch ein Symbol für eine besondere Rolle von Frauen in der Zürcher Geschichte. Ludwig, der Deutsche, also der Enkel von Karl dem Großen, ließ ein Kloster im Juli 853 an seine älteste Tochter Hildegard übertragen, und mit dem Kloster übergab er Hildegard auch eine ganze Menge Landbesitz und eigene Gerichtsbarkeit.
00:19:36: Das Kloster war also eigenständig und mit großen Befugnissen und Besitztümern ausgestattet. Die Äbtissin Hildegard und alle ihre Nachfolgerinnen waren damit so ziemlich die wichtigsten Entscheiderinnen in Zürich. Man nannte sie auch Fürst, Äbtissin. Weil sie waren dann die Repräsentanten für ihn. Also sie hatte das Recht, den Bürgermeister auszuwählen, ihn wieder abzusetzen. Sie hatte das Hausrecht. Da wäre alles, alles, alles Grundbuchamt, alles ging über ihren Schreibtisch.
00:20:08: Und diese Position hat dann die zweite Dezernentin, die 20, 25 Jahre alt und fast 500 Jahre lang ist Zürich also unter der Ägide dieser Frau Münzer gestanden. Und dann gab es eine Zunftrevolution. Das Kloster und die zugehörige Kirche wurde zu einem beliebten Anlaufpunkt für reiche Adlige aus ganz Europa, die hier ihre Töchter ins Kloster steckten, gegen eine ordentliche Stange Geld. Die jungen Frauen verbrachten hier ihren Alltag, hatten aber das Recht auszutreten und zu heiraten.
00:20:52: Frau Münster wurde auch Abtei zu Felix und Regula genannt. Vielleicht klingelt es da ja auch. Das waren die beiden Stadtheiligen, deren Gräber Karl der Große angeblich fand. Angeblich sollen die Geschwister während der römischen Christenverfolgung in die heutige Schweiz und an die Ufer der Limmat gekommen sein. Als sie sich weigerten, den christlichen Glauben abzulegen, ließ man sie am Flussufer hinrichten. Und die Legende sagt, dass sie ihre abgetrennten Köpfe selbst aufgehoben haben und 40 Schritte vom Ufer entfernt niederlegten.
00:21:26: Und vor 1000 Jahren wurde da, wo sie umgebracht wurden, die sogenannte Wasserkirche gebaut.
00:21:36: Wir stehen in der Sonne vor dem Frauenhaus gegenüber. Auf der anderen Seite ragen die beiden Türme des Grossmünster in den Himmel. Dort, wo Karl der Große die Totenstadt Heiligen angeblich fand und nachdem der Grossmünster viele Jahre die Gebeine von Felix und Regula für Pilger zugänglich machte, brachte man später Teile der Überreste auch in den Fraumünster. Grossmünster, Frau Münsterwasser, Kirche. Das war eine wichtige Kombination für kirchliche Feste zur Ehrung der Stadt Heiligen.
00:22:10: Aber zwischen Grossmünster und Frauenmünster gab es seit jeher eine gewisse Rivalität. Auf jeden Fall hatten die Männer da nichts zu sagen. Und das war natürlich dann ideal da das Frauen total abzustumpfen und sogar noch einen Turm weggenommen hat, weil wir von auswärts kamen. Sollte sofort sehen, wo wichtig ist und nämlich dort, wo die Reformation angefangen hatte und sicher nicht da. Wo nichts mehr war. Denn natürlich, den Männern gefiel die große Macht der Frauen im Frauenmünster so gar nicht.
00:22:44: Und um das klar zu machen, haben sie sich einiges einfallen lassen. Und um herauszufinden, was das ist, gehen wir rüber zum Grossmünster.
00:23:02: Wir laufen über die Münsterbrücke aufs andere Limmatufer und zum Grossmünster, über einen Platz durch die Menschenmenge und in die Kirche.
00:23:24: Und wir blicken mit Elisabeth auf das alte Relief auf einer der Säulen. Karl der Große und sein Knien. Das Pferd vor dem Grab der Stadtheiligen. Das in Zürich war. Ja, es gibt unheimliche Geschichten. Alles Gute von diesen Mönchen da, weil sie es nicht ertragen konnte, dass sie nichts zu sagen hatten. Dann wollten sie wenigstens älter sein. Und hat irgendwann so ein Mönch im elfte Jahrhundert und wann ein Dokument geschrieben und siegeln lassen, als wäre es von Karl dem Großen und hat da behauptet, es sei Karl der Große, der Stifter gewesen, dieses große.
00:23:59: Münsters, Karl. Der Große als Stifter des Großmünster. Denn dass die kaiserliche Legende den Grossmünster gründete, während sein Enkel nur als König den Münster gründet. Das hat den Vorstehern des Groß Münster Stifts wohl wesentlich besser gepasst. Schon gelesen, dass sie eben mindestens älter waren, als sie waren? Kann man sich vorstellen. Karl der Große gründet das Benediktinerkloster. Sein Enkel 50 Jahre später. Basta. Und das war halt einfach.
00:24:29: Die Macht war schon besetzt. Die haben nichts mehr gekriegt. Und so ist es dann halt. Genau auf den Einfall kam, ist nicht überliefert. Aber Mühe hat man sich wohl allemal gegeben. Dieser Mönch hat ein Begründungsdokument geschrieben. Und dann irgendwann so zweite Hälfte, 20., 20. Jahrhundert konnte man das natürlich zweifelsfrei nachweisen, dass das nie zu Zeiten zu Lebzeiten von Karl dem Großen geschrieben wurde. Und so müssen wir halt jetzt auch hier unsere Geschichte, unsere Geschichte neu schreiben.
00:25:01: Und aber eben diese Legenden, die geistert immer noch rum, diese Legende, dass der Karl der Große gewesen wäre. In der Stadt Zürich wurde man bis ins 13. Jahrhundert also nicht müde zu betonen, dass da, wo wir jetzt stehen, in Grossmünster die Musik spielt. Apropos Musik Die wurde im Zuge der Reformation übrigens sowohl aus dem Frau als auch aus dem Grossmünster sowie allen anderen Zürcher Gotteshäusern verbannt.
00:25:34: Überhaupt änderte sich ab dem späten Mittelalter so einiges in der Zürcher Ordnung. Nicht nur fand die Macht der Frauen aus dem Fraumünster nach Jahrhunderten ein Ende in der Zunftrevolution. Man erfand auch kurzerhand einen dritten Stadtheiligen.
00:25:53: Sind ja auch zwei, ein Mann und eine Frau, Felix und Regula. Und im 13. Jahrhundert ist Super Antonius dazu erfunden worden. Also es war die Legende, abgefasst in Latein Felix Randius et Regula. Was so viel heißt wie Felix, der Gott Dienende und Regula. Jetzt hat man ein Komma gemacht. Felix, Super, Antonius und Regula hatte man zwei Männer und eine Frau. Wenn da gesagt im 13. Jahrhundert es gibt so viele Leute hier in Zürich und Felix und Regula, die haben nicht die Kapazität, um sich um all die Sorgen und Nöte dieser Leute zu kümmern.
00:26:27: Also müssen wir schauen, dass die Armen sich an jemand anders wenden, an den Diener von Felix und Regula. Und hat eben dieses Dokument so
00:26:36: verfremden können mit diesem Komma. Und die Armen konnten das gar nicht aussprechen, Die haben Hexen gesagt. Und ob die dann wirklich mit ihren Sorgen und Nöten sich an diesen Hacks gewendet haben, das sei dahingestellt. Auf jeden Fall hatte die Oberschicht das Gefühl, Felix und Regula hätten wieder Zeit für sie. Ja, und es war so Die Stiftsherren von hier haben sich vehement gegen diesen Schwindel gewehrt, weil ab da waren die Zürcher Münzen mit nicht nur Felix und Regula, sondern mit Decius versehen.
00:27:12: Und auch das Stadtsiegel war jetzt so mit diesen dreien. Und die haben gesagt Das geht doch nicht, das können wir nicht absegnen. Dann hat Ihnen ein reicher Zürcher ein grosses Legat versprochen, für den Fall, dass Sie es doch täten. Dann hat man gedacht, man muss da nicht so kleinlich sein.
00:27:30: Und zum anderen ist da eben die angesprochene Reformation.
00:27:44: Wir verlassen den Grossmünster und treten in die Zürcher Mittagssonne. Der Platz, auf dem wir stehen, ist der sogenannte Zwingli Platz. Und der ist benannt nach Huldrich Zwingli. Der kam 1519 nach Zürich und wurde Leutpriester am Grossmünster. Zu diesem Zeitpunkt war Zwingli von einem frommen Priester und Prediger bereits zu einem großen Kritiker der katholischen Kirche geworden. Aber der hat ja die Reformation angestoßen. Man hat damals noch gedacht, man kann die katholische Kirche reformieren auf eine Art und Weise.
00:28:19: Seit Jahren als Leutpriester beginnt Zwingli vom Grossmünster aus, die Kirche in Zürich systematisch zu reformieren. Ganz ähnlich den Reformationsbewegungen im Rest von Europa geht es um die Auslegung der Bibel, den Ablauf der Messe und die Rolle von Schmuck und Bräuchen im kirchlichen Alltag. Elisabeth erzählt zum Beispiel vom legendären Wurstessen. Hier versammelten sich viele Adlige und Geistliche, um demonstrativ gegen das geltende Fastengebot zu verstoßen.
00:28:51: Er hat das Freitagsgebet und das Fasten geprägt. Es war in der Fastenzeit. Dass kein Fleisch gegessen werden durfte, hatte er ja damit gemacht. Das war derjenige, der seine Bibel Gedrückt hat? Ja. Hat da ein Wurstessen. Das waren Rebellen in Bezug auf Religion. Zwingli selbst soll nicht gegessen haben, erzählt Elisabeth. Aber geschrieben hat er. Wie Martin Luther schrieb, auch Zwingli eine eigene Übersetzung der Bibel. Er war sogar noch schneller fertig als heute.
00:29:24: Er soll sich immer einen. Jungen, den aus. Winterthur, kommen lassen. Habe das Hebräisch kundig, damit er ihm helfen konnte. Zwingli macht Zürich zur evangelischen Hochburg und das mit unspektakulären Praktiken. Die Gottesdienste haben bis zu zwei Stunden gedauert, und die Leute sind massenhaft eingeschlafen. Dann werden die Leute bestimmt, die diese Kirchenschläfer wecken mussten. Also das war so das System nach der Reformation bei uns, wo nicht mehr gesungen werden konnte.
00:29:54: Keine Musik, nichts mehr zum Anschauen. Und ganz besonders gern hat man ja früher die Maria Magdalena Abgebildeten. Weil da konnte man so eine sehr erotisch anmutende Frau malen. Maria Magdalena, die Bäuerin und solche Sachen haben alles gefehlt. Ja, das Da konnte man nicht mehr abschweifen mit den Gedanken. Das musste alles weg.
00:30:24: Und jetzt saßen sie einfach da und wussten, sie mussten auf das Amen warten und sind da eingeschlafen und wurden dann wieder geweckt. Keine Musik, kein Schmuck, keine Ablenkung. Das genaue Gegenteil zur Messe vor Zwinglis Reformation. Bis heute ist die Schweiz nicht geeint, wenn es um die Konfession geht. Katholiken wie Protestanten verteilen sich. So ist man in Luzern beispielsweise katholisch, in Zürich eben evangelisch, genau wie in Bern, im Wallis und in Appenzell, dann wieder katholisch usw.
00:30:57: Zu Zwinglis Zeiten wurden diese Unterschiede wie im Rest von Europa zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten in den sogenannten Kappeler Kriegen? Zogen die katholischen Städte gegen die Reformationsbewegung in den Krieg und in dem stirbt Zwingli. Und während sie uns von seinem Tod erzählt, laufen wir tatsächlich gerade an seinem ehemaligen Wohnhaus in der Kirchgasse vorbei. Ja, stimmt, da hatte.
00:31:28: Ja am 11. Oktober 31 mit der Lehre der Züricher.
00:31:34: Wo er für seinen Glauben starb und dabei hatte er den Krieg. Er wollte. Er hat das durchgesetzt, dass da gekriegt wurde gegen diese störrischen Katholiken. Und seine Frau hat nicht nur in den Mann verloren, sie hat auch ihren ältesten Sohn, ihren Schwiegersohn, ihren Bruder und ihren Schwager verloren in diesem Krieg. Und sie war sicher nicht die einzige in Zürich, die da quasi so viele Tote auf einmal zu beklagen hatte. Unsere Tour mit Elisabeth neigt sich dem Ende.
00:32:06: Ein letzter Stopp und eine besondere Verabredung stehen noch auf dem Plan.
00:32:20: Elisabeth führt uns Richtung Bahnhof. Auf dem Weg zeigt sie hierhin und dorthin und uns fällt auf. Nicht nur an der Uni waren einige ziemlich bekannte Menschen.
00:32:37: In der gesamten Stadt begegnen einem Anekdoten historischer Figuren, die in Zürich gelebt haben. Zum Beispiel Vladimir Lenin.
00:32:49: Lenin. Hat sich jemand über die Metzgerei Wurst hier beklagt? Über diesen Gestank im Sommer 1916, weil er aus 314 gewohnt.
00:33:00: Das steht. Das hat wahrscheinlich nicht zu dem hatte die heute Führer der Russischen Revolution.
00:33:08: Im zweite Stock hat er zwei Zimmer gemietet, zusammen mit seiner Frau.
00:33:15: Er sei immer in der Zentralbibliothek gesessen, ist überliefert. Und kaum sind wir an dem alten Wohnhaus von Lenin vorbei, wartet tatsächlich schon die nächste Geschichte vor einem alten Wirtshaus, dem Haus zum grünen Glas. Die Geschichte, die ich jetzt erzähle, hat sich vorher abgespielt. Da war er also, ein Student vom Polytechnique, jeden Abend hierher gekommen und hat ein Bier bestellt. Bier hat damals in Zürich doppelt so viel gekostet wie Wein, und er hat sich also ein Bier gegönnt.
00:33:49: Und der Wirt hat gedacht, der Mann spinnt. Wie kann er so viel Geld ausgeben für einfach am Abend etwas trinken zu gehen? Er hat die Information über diesen jungen Mann angezogen von Deutschland. Er war von Deutschland, hat herausgefunden, dass er in Deutschland das Abitur nicht geschafft hat. Er hat offenbar eine Sternstunde, als er die Aufnahmeprüfung machte an diesem Polytechnicum. Und deshalb konnte er da studieren. Der Wirt hat gedacht Fehler. Student kann nicht mit Geld umgehen, hat ihm Lokalverbot gegeben. Und zu seiner Tochter hat er gesagt Du hast etwas Besseres verdient als so einen faulen Studenten.
00:34:22: Die beiden, schwer verliebt, die sie waren, konnten es fast nicht ertragen, dass sie sich nicht mehr sehen konnten. Zum Glück ist der Vater kurz darauf gestorben. Die beiden konnten heiraten. Er war wohl dieser faule Student. Sein Geld.
00:34:40: Aus ihrer Tasche zieht Elisabeth ein Bild. Die allererste Röntgenaufnahme, die da gemacht hat, das war die Hand seiner Frau. Er hat sie ja die ganze Zeit geröntgt. Sie haben nie Kinder gehabt. Das ist alles weg geräumt weggeräumt, hartnäckig, was da jemals hätte werden sollen. Und so ist da halt. Ja, Also, jetzt ist der Ehering her. Das ist die erste Röntgenaufnahme. Die Hand mit dem Ehering war 1895 die erste Röntgenaufnahme der Welt. Allerdings aus Würzburg, nicht aus Zürich.
00:35:19: Wir verabschieden uns also von Elisabeth. Gehen vorbei am Bahnhof. Und stehen vor unserem letzten Stopp an diesem Tag. Ein Stopp, der all das, was wir bisher gesehen und erlebt hatten, ganz gut zusammenfasst. Wir befinden uns im Altbau des Landesmuseums in Zürich. Ein bisschen kompliziert, weil das Schweizerische Nationalmuseum ist sozusagen eine Dachorganisation mit drei Museen und ein Sammlungszentrum in Affolter am Albis. Und hier sind wir jetzt im Landesmuseum in Zürich. Denn wer sich der Zürcher oder sogar der gesamten Schweizer Geschichte widmen möchte, kommt an diesem Ort und an der Person, die wir hier treffen, eigentlich nicht vorbei.
00:35:57: Das Gebäude des Landesmuseum wirkt etwas surreal. Das ist auch der Ursprung dieses Nationalmuseums ist ein Produkt des 19. Jahrhunderts seit der Bildung der Nationalstaaten. Es ist ein Historismus. Gebäude also. Der Architekt Gustav Gaul hat sich inspirieren lassen vom Mittelalter, von der Renaissance des Barock. Man steht davor wie in einer Art Burghof. Doch das Gebäude stammt eben nicht aus dem Mittelalter, sondern aus dem 19. Jahrhundert. Wir betreten die großzügige Eingangshalle.
00:36:29: Und hier treffen wir Denise Tonella.
00:36:34: Hallo. Hallo. Ja, Toll, dass es klappt. Die ist die Direktorin des Schweizerischen Nationalmuseums. Wir folgen Denise quer durch die Ausstellungsräume des Museums.
00:36:46: Müssen bis zum 21. Jahrhundert Laufen jetzt wie im 19.. Schnelldurchlauf durch die Geschichte.
00:36:55: Im Schnelldurchlauf geht es vorbei an den Ausstellungsstücken zur Schweizer und Zürcher Vergangenheit.
00:37:02: Jetzt kommen wir langsam in die heutige Zeit. Ja, genau das kennt man.
00:37:09: Bis wir schließlich in einem der Räume Platz nehmen und Denise zu erzählen beginnt. Und mein Weg bis zu diesem, zu dieser Stelle, die ich heute in habe ist, war, war ziemlich kurz. Aufgewachsen ist Denis in einer Bauernfamilie in der italienischen Schweiz, im Tessin. Sie hat Geschichte studiert, erzählt sie, und auch, dass sie nicht so recht wusste, was sie damit machen soll. Ich habe auch dann noch Kulturwissenschaften studiert, nach dem Studium mehrere Jahre in der Filmbranche, vor allem im Dokumentarfilmbereich, gearbeitet.
00:37:41: Und dann, aufgrund dieser Filmbranche, war ich dann sozusagen interessant für ein Projekt beim Schweizerischen Nationalmuseum für die Entwicklung von Medienstationen. So hat es angefangen. Sie wird Kuratorin und stellt über zehn Jahre die verschiedensten Ausstellungen zusammen. Und irgendwann dann. Bin ich Direktorin geworden. Ihre Aufgabe als Direktorin ist es, den Menschen die Geschichte näher zu bringen, zu zeigen, was man aus ihr lernen kann. Und wenn unsere Tour mit Elisabeth eines gezeigt hat, dann, dass es so viel zu erzählen gibt.
00:38:12: Und das ist gar nicht so leicht, ist dieses Wissen für möglichst viele Leute spannend zu vermitteln. Die große Herausforderung für Museen ist, glaube ich, wie? Wie bringt man narrative Geschichten in den Raum? Das ist wirklich ein Metier für sich. Das ist was anderes, als ein Buch zu schreiben oder einen Film zu drehen. Und ich sage immer In einem Museum kann man nicht wirklich Nebensätze schreiben, weil man ja die Leute, die bleiben nicht viele Sekunden vor einem Text und man muss es irgendwie greifbar machen. Und wie machen wir das? Wir benutzen natürlich das gesamte Spektrum der Werkzeuge, die die für die Musologie zur Verfügung stehen.
00:38:49: 6000 Jahre Geschichte, so sagt sie, muss man hier verhandeln. Und dabei will sie so viele Bevölkerungsgruppen wie möglich ansprechen und vor allem immer einen Bezug zur Gegenwart herstellen. Wir haben eine Familienaufstellung, wir haben eine Ausstellung zur Archäologie, wir haben eine Ausstellung zu Ideen der Schweizer, die Neutralität wie Heidi oder so und mit den Wechselausstellungen vor allem dort versuchen wir dann wirklich, gesellschaftliche Fragen aufzugreifen und fragen uns jedes Mal Wie können wir relevant sein für die Gesellschaft? Und das geht für Denise natürlich nicht über das bloße Platzieren von Objekten.
00:39:27: Und was unsere Reise durch Zürich heute gezeigt hat Geschichten entstehen durch die vielen verschiedenen kleinen und großen Geschichten einzelner Menschen. Und aus ihrem Handeln. Daraus zu lernen gilt es Wir. Können Raum schaffen und sagen Wir zeigen euch, was uns die Objekte aus der Zeit sagen und was uns die Quellen aus der Zeit sagen. Und versuchen da wirklich einen Raum zu schaffen für Dialog, aber auch für Debatte, für Verhandlung und mit dem Ziel, nicht nur die Gegenwart besser zu verstehen, sondern auch vielleicht und das wäre das Ideal, auch Entscheidungen für die Zukunft bewusster zu zu treffen.
00:40:06: Weil auch was diese Ausstellung zeigt, ist das sehr viele Individuen haben im Laufe der Schweizer Geschichte die Geschichte dann geprägt. Das heißt, die Entscheidungen, die wir heute treffen, die werden morgen Geschichte sein und die Zukunft prägen. Neben der festen Ausstellung im Schweizer Nationalmuseum und dem Zürcher Landesmuseum gibt es immer wieder wechselnde Ausstellungen. Als wir hier sind, geht es beispielsweise um die Rolle des Körpers im Mittelalter. Ab Herbst wird es eine Ausstellung zum Kolonialismus geben.
00:40:37: Mein Ideal für ein Museum wäre jetzt für ein den Kulturhistorisches Museum. Wir arbeiten mit Geschichte. Wäre zu sagen Ja. Wie können wir anhand der Geschichte und dem, was man weiß, zum Teil auch das Wenige, das man weiß, über die Vergangenheit Orientierung auch anbieten oder zumindest dem Publikum die Möglichkeit geben, Themen besser einzuordnen, die auch polarisieren. Heute wie zum Beispiel der Kolonialismus. Und es geht auch darum, durch die Geschichte einen Raum zu schaffen, um über die Zukunft des Landes nachzudenken.
00:41:21: Geschichte wird immer zu uns sprechen können. Es hängt davon ab, welche Fragen wir stellen. An die Vergangenheit.
00:41:36: Das heißt auch alle unsere Objekte, auch die, wo man das Gefühl hat Och, das habe ich schon so oft gesehen. Aber wenn man neue Fragen stellt, dann erzählen sie auch neue Geschichten. Also von dem her. Ja, die Themen sind ganz viele. Was mich interessiert jetzt auch für das Schweizerische Nationalmuseum. Es sind zwei Dinge, da versuchen wir jetzt seit letztem Jahr, dass es dann auch wirklich in die Planung hineinzunehmen ist, das immer immaterielle Kulturerbe. Letztes Jahr hatten wir eine Ausstellung zu Mehrsprachigkeit der Schweiz. Nicht nur die Landessprachen, sondern auch alle anderen Sprachen, die man spricht in der Schweiz und was Sprache mit uns macht, was Sprache mit unserer Kultur, mit unseren Identitäten macht.
00:42:18: Das war sehr spannend und es ist eine Form von immateriellen Kulturgut. Und dann hatten wir auch die Italianita verstanden als nicht nur italienische Migration, sondern wirklich das, was uns heute auch ausmacht Teil des immateriellen Kulturerbes der Schweiz. Was wir essen, was wir trinken, was wir anziehen. Die Verbindung, die wir empfinden zu Italien, die zum Teil auch durchaus klischiert ist und in der idealisiert ist. Es kommt darauf an, welche Fragen man an die Geschichte stellt.
00:42:52: Man hat wirklich das Gefühl, dieser Leitgedanke erfüllt das Museum. Und Fragen haben Denise und ihr Team ziemlich viele zu den verschiedensten Themen der Schweizer Geschichte.
00:43:05: Ein bisschen kann man sagen die klassische Dauerausstellung. Zur Geschichte ja. Aber auch spannende Stücke. Also ja. Ja. Auf jeden Fall.
00:43:17: Das ist die älteste Darstellung der Stadt Zürich. War aber eigentlich ursprünglich eine Darstellung des Martyriums der Stadtheiligen Felix, Regula und. Antonius. Aber wurde aufbewahrt in der Reformation, weil, ja weil es super Stadtbild ist und für uns als historische. Quelle Genial. Viele Gebäude stehen. Noch. Ah ja. Okay. Von wann ist das? 1497. Ja.
00:43:45: Nächstes Jahr werden wir. Und da freue ich mich sehr darauf, eine Ausstellung eröffnen über Techno. Musik. Also, es ist ja auch die Street Parade. Ist ja auch immaterielles Kulturerbe oder lebendige Tradition. Und aber auch die Geschichte der Psychoanalyse in der Schweiz, ausgehend von Sergej Jung oder so die mentale Gesundheit ist ein grosses Thema heute in der Gesellschaft und da hat die Schweiz eine sehr, sehr wichtige Rolle gespielt. Doch es geht im National und Landesmuseum auch um die Fragen, die manche sich nicht stellen.
00:44:17: Und diese Menschen für den Diskurs über Geschichte zu begeistern. Darum, wie man es schafft, dass auch diese Menschen zukünftig ein Museum gern besuchen und wie man ihre Wünsche und Ideen berücksichtigen kann. Aber natürlich sind wir in Zürich. Und natürlich, wenn wir jetzt in Zukunft auch partizipativ arbeiten möchten oder publikumsorientierter mit Communities, was wir vorhaben. Dann werden wir auch ganz intensiv mit Zürich arbeiten und arbeiten jetzt auch schon sehr intensiv mit Schulklassen aus dem Kanton und aus der Stadt Zürich partizipativ arbeiten.
00:44:51: Das beginnt für Denis im besten Fall schon bei den Kleinsten. Ja, wir. Überlegen uns im Moment, ob wir ein Kinderrat haben wollen. Also wirklich Kinder. Nicht Jugendliche, sondern die ganz Kleinen, Vielleicht von 9 bis 12, um zu überlegen, was, was, was könnte sie ansprechen, aber auch wie? Wie fühlen Sie sich im Museum? Also bis hin zu Ich weiß nicht, das Licht ist nicht schön oder oder so, weil schlussendlich sind Kinder diejenigen, die noch am längsten kommen können.
00:45:23: Und wenn wir sie verlieren im jungen Alter, wenn sie kein gutes Erlebnis haben mit der Schule oder so, dann verlieren wir sie mindestens 20 Jahre lang. Also mindestens. Sie kommen erst zurück. Vielleicht, wenn ihre Kinder dann mal ins Museum gehen oder so? Aber partizipativ heißt auch, mit zum Beispiel migrantischen Communities oder oder Bevölkerungsgruppen oder so zusammenzuarbeiten. Unsere Tour durch die Anekdoten der Stadt Zürich hat gezeigt, dass es vor allem die Geschichte von Frauen sind, die etwas bewegen, aber an die sich später oftmals nicht erinnert wird.
00:45:57: Und auch das wollen Denise und das Museum ändern. Es mag banal klingen inzwischen, aber es ist immer noch ein Bedürfnis. Die Frauengeschichte, die Perspektive, die weibliche Perspektive. Und da haben wir sogar selber immer wieder Mühe, weil die Objekte in unserer Sammlung sind nicht mit der Perspektive gesammelt worden. Das heißt, wir haben Mühe mit unserer Sammlung, Dann die, die die weibliche Perspektive zum Beispiel zu zeigen oder die Frauengeschichte geschichtliche Seite zu zeigen. Denn wie Denise Dennis sagte Geschichte ist irgendwann auch das, was heute und morgen gemacht wird.
00:46:33: Und deshalb heißt es für Sie und das Museum auch Sammeln, sammeln, Sammeln. Und heute schauen wir viel mehr. Wir haben ganz viel zu tun. Wenn es eine große Demos gibt oder so, dann schauen wir, dass wir ein paar Objekte haben. Ein letzter Frauenstreik haben wir das auch gemacht. Aber von dieser frühen Zeit oder zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts haben wir fast nichts und es ist verloren. Das findet man nicht mehr. Wir haben schon auch gesprochen mit den Leuten von damals, aber die haben das nicht aufbewahrt. Und wenn man nicht dann eingreift, und das ist immer eine Frage der Perspektive.
00:47:07: Auch wir heute müssen entscheiden, was wir von heute für morgen aufbewahren, bevor. Das Museum schließt und wir uns für heute von der Zürcher Geschichte lösen. Teilt Denis zum Abschied noch einen Gedanken mit uns. Und gleichzeitig sind wir auch eine Gedächtnisinstitution. Wir haben sehr viel Kulturerbe in unserer Sammlung über 78.000 Objekte, Millionen von Fotografieren. Und unser Auftrag ist, dieses dieses Kulturerbe nicht nur aufzubewahren, sondern auch zu aktivieren, also lebendig werden zu lassen und und mit dem arbeiten wir oder versuchen zu arbeiten.
00:47:45: Und das ist spannend und gleichzeitig aber auch immer eine Herausforderung. Wie bringt man jetzt eine Rüstung aus dem Mittelalter auch so rüber, dass sie wieder zu Reflexion anregen kann und wieder ja wieder wieder interessant werden kann? Auch wenn man vielleicht das Gefühl hat ja, das habe ich als Kind gesehen und muss ich jetzt nicht noch mal oder so. Und vielleicht geht es ja auch nur darum, dass man bei jeder Rückkehr ins Museum wieder eine andere Frage an die Geschichte hat als früher.
00:48:20: Zürich selber hat noch so viele Geschichten zu erzählen. Man muss einfach nur das neue Fragen stellen.
00:48:31: Wir haben erstmal keine Fragen mehr. Vom Museum schlendern wir Richtung Limmat und blicken den Strom hinauf und auf die Silhouette von Zürich. Wir haben einige Geschichten gehört, einige wahre und einige ausgedachte. Und wenn man so an Denise und ihre Arbeit denkt, kann man eigentlich nur gespannt sein, welche da in Zukunft aus Zürich noch so kommen werden. Von uns kommen auch noch Geschichten. In der nächsten Folge dieser vierten Staffel von übern Berg. Dann geht es allerdings nicht um die Geschichte.
00:49:01: Sondern um die Innovationen, die aus Zürich kommen. Unter anderem zum Beispiel vegane Steaks und Shrimps. Und es geht um die Seiten der Kultur, Kunst und Musik, die sich abseits des Zürcher Mainstreams bewegen. Also abonniert diesen Podcast, um keine Folge zu verpassen und. Hört auch in die vergangenen Folgen aus Zürich, Luzern und Bern. Und wenn es euch gefällt, dann bewertet den Podcast gern und schreibt uns, was euch an der Geschichte Zürichs am meisten überrascht hat. Wir sagen Tschüss und bis in zwei Wochen.
00:49:33: Ciao.
00:49:38: Dieser Podcast wird produziert vom Studio ZX in Zusammenarbeit mit Zürich Tourismus. An dieser Folge mitgewirkt haben Jonas Ross und Annalena Limpert.
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